Reif für die Insel

Mit dem Fat eBike nach Norderney

Das Beste am Norden ist die Reise dahin.

Reif für die Insel – Biken für die Seele

Manchmal ist es nicht leicht los zu lassen. Zu sehr hänge ich im alltäglichen Trott, bin in meinen eigenen Gewohnheiten gefangen. Haarausfall? Ja, ein kreisrunder Haarausfall, groß wie ein Fünf D-Mark Stück, ziert meine rechte Kopfseite. „Eine typische Auswirkung von Stress“, meint meine Ärztin. Davon hatte ich in den vergangenen Wochen genug. Es war an der Zeit das Gewohnte, das Alltägliche zu durchbrechen und etwas Anderes zu tun. Ich war buchstäblich „Reif für die Insel.“ Durch einen Jobwechsel haben sich einige freie Tage ergeben. Zeit die Seele noch einmal baumeln zu lassen. Reif für die Insel wurde zu einer Idee, die mich faszinierte. In den letzten Jahren war ich im Sommer öfter mit dem Rad unterwegs gewesen. Noch nie kam ich auf die Idee mitten im Winter eine Radtour zu machen! Und doch sollte genau dies mein Thema werden.

Seitens meines Arbeitgebers bekam ich ein FatBike zur Verfügung gestellt. Weitere Ausrüstung und Zubehör gesellten sich hinzu. Die letzten Hürden unterwegs zu sein wurden von mir genommen.

Loslassen ist nicht einfach

An jenem Samstagmorgen, als ich mich auf den Weg machen wollte,  wurde „loslassen“ noch einmal erlebbar. Bisher bin ich mit dem Zug zu einem Ort gefahren und habe von dort aus meine Tour begonnen. Ein Zug ist ein verbindlicher Termin, den Du halten musst, ansonsten hast Du Pech gehabt. Diesmal ist es anders. Der Anfangspunkt meiner Reise liegt direkt vor der eigenen Haustüre. Kein Termin, kein Zeitdruck, lediglich die Tagesetappe liegt vor mir. Ich habe einige Tage frei, während Eva, meine Lebensgefährtin, arbeiten muss. Das war uns beiden klar und jeder gönnt dem Anderen seine freie Zeit. Und dennoch fällt es schwer los zu fahren. Ein gemeinsames Frühstück, die Packtaschen an´s Rad hängen. Eva drängt mich ein wenig und das ist auch gut so. Eben noch die Jacke überstreifen, Helm und Handschuhe an und los? Nein, Zeit für einen Abschiedskuss muss sein. Ich scheine den Nachbarn in seinem Schlaf gestört zu haben, jedenfalls trottet er ziemlich schlaftrunken aus der Haustüre, reibt sich die Augen und staunt als er mein bepacktes Rad sieht. Eineige Worte werden gewechselt, die besten Wünsche für die Reise mitgegeben, dann rolle ich los.

Ich lebe in einer Region in der  Andere Urlaub machen

denke ich, während ich langsam durch die Hückeswagener Altstadt dem Schloss entgegenfahre. Erhaben liegt es oberhalb der „Neuen Stadt“.  Ein letzter Blick, bevor ich auf die alte Bahnstrecke, die seit einiger Zeit als Radweg dient, abbiege. Das Wetter ist bewölkt, es ist kalt geworden. Beim Einbiegen auf die Trasse rutsche ich weg. EIS! Ein kurzer Anstieg ist so spiegelglatt das ich wegrutsche. Die seitliche Grasnarbe gibt mir Halt während das eBike mittels Schiebehilfe neben mir her rollt. Kaum habe ich es geschafft, ist der Spuk vorbei. Hier und da noch einige Schnee- und Eisreste, das war es. Alles läuft normal und langsam finde ich zu meinen Tritt, bin gespannt auf die kommenden Tage.

Das Bergische Land hat seine Reize. Der Name an sich beruht auf einem alten Adelsgeschlecht, erinnert mich aber gerade eher an dessen geografischen Begebenheiten. Hügel und Täler im Wechsel. Nach einer langen Abfahrt von Remscheid-Lennep in Richtung Wuppertal folgt der Anstieg zur Nordbahntrasse. Von hier aus folge ich dem Weg der ehemaligen Kohlenbahn. Der 722 Meter lange Tunnel Schee gilt als Wasserscheide zwischen Wupper und Ruhr und verbindet Wuppertal mit Hattingen. Die gemauerte Röhre ist kühl und ich bin froh den Ausgang zu erreichen.

Die Hattinger Altstadt ist einen Besuch wert, lädt zum verweilen ein, wenn es nicht so kalt wäre. Gleich hinter der Ruhr, auf einer Anhöhe gelegen, befindet sich die Bochumer Sternwarte. Ihre Kuppel verbirgt ein Radioteleskop, welches tiefe Einblicke in unser Universum ermöglicht. Da dies nur in klaren Sterbenächten möglich ist bestaune ich die gräulich weisse Kuppel und mache mich auf den Weg Richtung Bochum. Über gut ausgebaute Radwege führt mich der Weg quer durch die Innenstadt einem alten Zechenturm entgegen. Das Kennzeichen des Deutschen Bergbaumuseums. Seit meiner Schulzeit war ich nicht mehr hier. Die Besichtigung kann richtig Zeit fressen, die man einplanen sollte. Das Museum wird gerade umgebaut, den zeitlichen Veränderungen angepasst. Ich erlebe den unterirdischen Stollen als eine Reise durch die Zeit des Kohlebergbaus und erhalte einen kleinen Eindruck über die Maloche der Kumpels unter Tage. Dabei ist das Bergwerk dem Original nachempfunden. Ein letztes Stück noch bis Herne. Die erste Unterkunft ist erreicht. Ich bin ein wenig müde, aber froh wieder unterwegs zu sein.

Landschaft und Ingenieurskunst

Der Nebel hält sich noch lange an diesem Morgen. Besonders über den Flussläufen ergeben sich bizarre Formationen. Ein Aussichtsturm an der Emscher gibt mittels endloser Kritzeleien Einblicke in das Privatleben diverser Mitbürger wie einen herrlichen Ausblick über die morgendliche Landschaft frei. Entlang dem ehemaligen Abwasserkanal erreiche ich das Schiffshebewerk Henrichenburg. Ein kurzer Stop, gilt dieser genialen Leistung deutscher Ingenieurskunst. Mittels Wasserkraft wird der Trog über Schwimmer in der Höhe variiert. Im Sommer stelle ich mir einen Ausflug mit dem bereitliegenden Bereisungsboot interessant vor. Jetzt ziehe ich es vor mich auf den Weg zu machen. Waldwege begleiten mich die nächsten Stunden. Man glaubt es kaum wie grün das Ruhrgebiet ist. Ich erreiche den Feuerturm Flaesheim, der einen hervorragenden Rundblick bietet, bevor ich etwas weiter einen kleinen Einblick in die Kunst der Köhlerei bekomme. Das Wetter hält sich bedeckt und so beschliesse ich den Halterner See links liegen zu lassen. Entlang dem Dortmund Ems Kanal erreiche ich Billerbeck. Während mein Rad bereits in der nahen Unterkunft ruht, laden mich Dom und Domkaffee zu einem Besuch wie Kaffe und vielen leckeren Köstlichkeiten ein. Langsam lasse ich los, langsam beginne ich zu geniessen und kann ein wenig entschleunigen.

Unbemerkt habe ich Niedersachsen erreicht

Jeder Ort hat anscheinend seine besonderen Geschichten. Direkt neben dem Hotel entdecke ich einen Brunnen. Seinen Namen verdankt er der Hilfe des Ludgerus, der mit Einsatz zweier Gänse den Weg zu neuem Quell zu finden half, nachdem der alte Brunnen versiegt war. Ich finde meinen Weg entlang der RadBahn Münsterland an deren Streckenverlauf viele der alten Bahnanlagen zu Unetrschlupfmöglichkeiten umgebaut wurden und zugleich an historische Begebenheiten erinnern.  Witzige Figuren weisen auf eine nahe Kletteranlage hin. Erst in Steinfurt verlasse ich diese um mich neben dem ehrwürdigen Schloss Burgsteinfurt mit einem Kaffee aufzuwärmen. Über Waldwege, vorbei an eine Badesee geht es weiter. Auf einmal habe ich Zeit. Ich muss nicht rasen, darf mein Inneres dem äusseren Tempo angleichen. Als ich die historische Dampflock am salzbergender Bahnhof besten wird mir klar das ich unbemerkt Nordrhein Westfalen verlassen habe und Niedersachsen bereits erreicht habe. Es wird ländlicher, entlang des Weges werden Produkte direkt vom Erzeuger angeboten. Manche Höfe, wie das „Melkhuus“ ermöglichen dem Interessierten Führungen wie die Verkostung dieser Produkte. Kurz vor Emsbüren, meinem heutigen Ziel, führt mich der Weg noch einmal von der Strasse ab. Eine Steinformation erinnert an eines der letzten erhaltenen Hühnengräber, deren Steine von unseren Vorfahren zu Strassenbauzwecken entfremdet wurden.

Aussichtspunkt Ems

Erstmalig auf meiner Reise erblicke ich die Ems. Von Hövelhof, ihrem westfälischen Ursprung, bis hierhin hat sie bereits einige Kilometer hinter sich und wird mir in den nächsten Tagen zur Orientierung dienen. Mit historischen wie modernen Schleusenanlagen, wunderschönen Flussabschnitten wie industrieller „Kultur und Nutzung“ hinterlässt der Fluss in ihrem Verlauf die unterschiedlichsten Sinneseindrücke. Über den Markt von Meppen, vorbei an zu dieser Jahreszeit noch geschlossenen Biergärten, erreiche ich Haren in dessen Zentrum sich der sanierungsbedürftige Emsland Dom St. Martinus befindet. Noch während ich mich an Grünkohl mit Kassler und Wurst, einer regionale Spezialität, stärke beginnt es draussen zu schneien. „Wie es morgen wohl weiter geht?“, sind meine letzten Gedanken bevor ich in einen tiefen Schlaf falle.

Schnee – Eis -Wind

Ich geniesse, wie immer auf dieser Reise, ein hervorragendes Frühstück. Draussen schneit es munter weiter. Das Wetter hat die Landschaft in ein weisses Bett gelegt. „Es wird Zeit aufzubrechen, wer weiß wie und ob ich durchkomme“, so meine Gedanken an die bevorstehende Tagesetappe. Ein wenig innere Unruhe macht sich breit. Gute, wie warme Radkleidung aus dem Hause Vaude ergänzt um Stulpen von Touratech sorgen für notwendigen Wetterschutz wie Wärme. Der Uvex Ski- und Radhelm bietet durch seine Ohrenschützer zusätzlichen Schutz im Kopfbereich während eine Skibrille die Vermummung komplettiert. Bereits auf den ersten Metern erweisen sich die Vier Zoll breiten Reifen aus dem Hause Schwalbe als zuverlässige Wegbegleiter. Auf Schnee bieten sie die selbe Griffigkeit wie einige Tage zuvor auf matschigen Waldwegen. Den Blicken mancher Menschen entnehme ich in meiner vermummten Erscheinung die unterschiedlichsten Gedanken. Von Mitleid, über Erstaunen, Bewunderung bis hin zu Unverständnis und Verrücktheit scheint alles dabei zu sein. Der  Schnee schenkt dem Land ein wenig Ruhe, so erscheint es mir jedenfalls. Je weiter ich mich Papenburg nähere desto weniger wird die weisse Pracht. Was bleibt ist dieser eisige Wind, der mich immer wieder zu kurzen Pausen zwingt m mich aufzuwärmen. So lerne ich verschiedene Kaffee´s kennen und stelle fest das man mittels lebensgrosser Figuren anscheinend gewissen der Piraterie verfallenen Persönlichkeiten gedenkt, währen die herrlich geschmückte Auslage eines Floristen zumindest in Gedanken ein wenig Herzenswärme vermittelt.

Noch mehr Ingenieurskunst

Alle Aufregung war, wie so oft, umsonst. Die Tagesetappe war recht kurz und ich beschliesse einen Ausflug in´s nahe Papenburg. In unmittelbarer Nähe zur Altstadt werden die berühmten Kreuzfahrtschiffe gebaut. Leider fand an diesem Tag keine Führung durch die Hallen der Meyer Werft statt, so blieb mir nichts anderes übrig als die gewaltigen Hallen von aussen zu betrachten. Eine kleine Vorstellung der produzierten Werke bekomme ich durch die an Land liegenden Schiffsbauteile. Durch einen Abstecher in die sehenswerte Innenstadt kann ich, bei einem Kaffe, die auf dem Kanal liegenden historischen Segler begutachten, bevor ich zum Hotel zurück fahre, mich aufwärme und ein spitzenmässiges Abendessen geniesse. Wenig später stelle ich fest das es  ein wenig zu viel des guten war. Mit einem ungewohnten Völlegefühl schlaf eich ein.

Gosses Meer?

Am nächsten Morgen fahre ich noch einmal, diesmal von der anderen Seite, an der Meyer Werft vorbei. Das zum Staubecken liegende Hallentor erscheint mir riesig, während sich ein „Stück Schiff“ noch im Trockendock befindet. Ich bin in Ostfriesland angekommen. Deichschafe grasen an den Deichen, die tageszeitunabhängige Begrüssung „Moin“ ist selbst auf den Schildern entlang der Route präsent während mir Schöpfanlagen, welche das Binnenland trocken halten, von nun an immer häufiger begegnen. Die entsprechenden Entwässerungsgräben sind zugefroren, während sich auf den angrenzenden Feldern Scharen von Wildgänsen auf ihrer Durchreise versammelt haben. Über einen Teil des Drei Meeres Weges erreiche ich das Gosse Meer. Ein Überrest vergangener Sturmfluten, der noch einige Kilometer von der Küste entfernt ist. Nach einem sehr guten Abendessen im Landhaus Grosses Meer habe ich über Facebook eine Nachricht erhalten. Es ist Robert, ebenfalls FatBike Fahrer und genauso gerne damit unterwegs. Norderney als Antwort auf die Frage nach meinem Reiseziel liess uns schnell ein Treffen für Samstag arrangieren. Robert arbeitet und wohnt auf Norderney. Wer könnte einem besser ein Stück weit die Insel zeigen als jemand der genau dort wohnt?

Ostfriesland erleben

Am frühen Morgen werde ich durch ein undefinierbares Geschnatter wach. Aus meinem Hotelzimmer darf ich das Naturschauspiel der Wildgänse beobachten. Ein herrlicher Tagesbeginn. Der schiefste Turm der Welt steht in Suurhusen! Nein, es ist nicht Pisa, wie der Eintrag in´s Guinness Buch der Rekorde verdeutlicht. Den präsentieren die stolzen Suurhusener ebenso wie die zugehörigen Pressetexte auf dem Kirchengelände. Ich erlebe eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Vorbei an den Zwillingsmühlen geht es in den malerischen Hafen von Greetsiel. Ein Zwischenstop mit fangfrischem Matjes sorgt für Kraft, während ich mich ein wenig aufwärme. Es geht weiter nach Norden. Mein letzter Stop vor Norddeich. Apfelstrudel mit „garantiert geklauten Äpfeln“ verbunden mit einem Kaffe wärmen mich noch einmal auf. Vorbei am Teemuseum und der sehenswerten Ludgerikirche widme ich mich meiner letzte Etappe vor der Überfahrt. Norddeich wirkt, im Vergleich zu sommerlichen Erlebnissen, ausgestorben. Die meisten Geschäfte haben noch Winterpause. Im Haus des Gastes, direkt am Strand, muss ich mich bei Seeblick nochmals aufwärmen. Wie kalt es ist zeigt mir ein kurzer Ausflug an den Strand. Eiskristalle bedecken das Watt. Ich fahre zu den Frisia Grossgaragen und treffe mich mit Eva. Sie hatte sich nach ihrer Arbeit auf den Weg gemacht. Gemeinsam geniessen wir die Überfahrt nach Norderney.

Mit dem Fatbike zwischen Strand uns Dünen

Während Eva einer fiebrigen Erkältung erlegen den Tag im Bett verbringt treffe ich mich mit Robert. Er arbeitet bei Rad Peter, die FatBikes, auch für Kinder im Verleih haben. Wer es mal probieren will sollte sich dorthin begeben. Gemeinsam biegen wir von der Strandpromenade ab, erleben eine beeindruckende Dühnenlandschaft, die nur auf den ausgewiesenen Wegen befahren werden darf und wärmen uns bei der weissen Düne noch einmal auf, bevor es über einen langen Sandstrand zurück zur Stadt geht. Es heisst Abschied nehmen. Während Robert das Inselleben geniessen kann, wartet auf Eva und mich am anderen Morgen bereits die Fähe, die uns ans Festland zurückbringt. Eine herrliche Reise nimmt ihr Ende. Schade, aber ich werde diese Tour bestimmt noch einmal fahren. Im Sommer vielleicht?

Fazit

Ein FatBike als Reiserad zu nutzen macht unendlich viel spaß und verschafft gleichzeitig Freiräume, die mit einem normalen Rad nicht vorhanden sind. Die dicken Reifen bieten gleichzeitig einen deutlichen Komfortgewinn wie sichern Gripp auf losen Untergründen. Hierdurch sind Wege möglich, die sonst nicht erfahrbar wären. Erfreulich leicht rollen die 4 Zöller im Vergleich zu einem normalen Tourenreifen, der je nach Art nicht wesentlich leichtgängiger läuft. Die Route an sich ist erlebnisreich und auch für Familien erfahrbar.

Partner und Sponsoren:

HPVelotechnik
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ADFC Norden